Kurt Eisner
Kulturstiftung
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Preisträger 1990: Olaf Metzel

Metzels Arbeiten, so hat er selbst einmal gesagt, entstehen "meist aus einem gewissen Aggressionsschub heraus". Die Aggression verschafft sich ihre Form mit der rasenden, lärmenden Trennscheibe, mit der Metzel im entscheidenden Durchgang seinen Gebilden die Schnitte und die Versehrungen verleiht. Diese Spuren der Destruktion überziehen, ja prägen die Gipsbüsten der Eichenlaubstudie (1986) wie den Stammheim-Kranz, die Taufkapelle von St. Erpho in Münster wie die Computer- und die Lichthof-Skulptur. In Wurfeisen und Zwille, einer Arbeit aus jüngster Zeit, die angeregt wurde durch die Problematik der Hamburger Hafenstraße, ist die Zerstörung eigens Thema geworden. Was Metzel mit seinen Verdichtungen ganz unmittelbar erfahrbar macht, ist die Gewalt, ist die Rolle, die Gewalt in unserer Gesellschaft spielt. Dabei spricht er keine Urteile und er tritt nicht als Besserwisser auf. Vielmehr fordert er, indem er Latentes sichtbar macht, dazu heraus, sich der ganzen Vielfalt und Vielschichtigkeit des Phänomens bewußt zu werden. Mal demontiert er auf exemplarische Weise herkömmliche Werte (Eichenlaubstudie), mal aktualisiert er durch seine Intervention eine erstarrte und abgestorbene Situation (Taufkapelle St. Erpho), mal veranschaulicht er symbolisch die gewalttätige Seite der Technologien, mal macht er die physische Gewalt bildhaft, dabei auf den Mechanismus von Gewalt und Gegengewalt am Beispiel der antagonistischen Kräfte innerhalb der Demokratie hinweisend: der Staat auf der einen Seite und die Terroristen, die Demonstranten, die Autonomen auf der anderen (Stammheim, 13.4.1981, Wurfeisen und Zwille). Olaf Metzels Nähe zu Aggression, Zerstörung und Gewalt kommt aus dem Zorn, dem Zorn darüber, daß die Welt nicht vollendet ist. Er arbeitet an der Veränderung, indem er die Konflikte der Realität durch Kunst zur Sprache bringt und darüber die Möglichkeiten der Kunst erweitert. Indem er Widersprüche hervorkehrt, Einverständnisse aufkündigt oder stört und dem Vergessen entgegenarbeitet, provoziert er. Das haben nicht zuletzt die öffentlichen Reaktionen und die Reaktionen von Politikern auf seine Skulptur am Berliner Kurfürstendamm gezeigt, die ein Datum zum Titel hat, das Datum einer gewaltsam ausgegangenen Demonstration an genau dieser Stelle: 13.4.1981. "Metzel", so hat Walter Grasskamp formuliert, "hatte der beunruhigenden Erfahrung ein Denkmal gesetzt, daß auch in einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie die politischen Auseinandersetzungen gewaltsame Formen annehmen können. Seine Skulptur berührte ein neuralgisches Thema der Geschichte der Bundesrepublik, die Frage nämlich, wie man demokratische Verhältnisse verteidigen oder einklagen kann, ohne dabei zu Mitteln zu greifen, die republikanischen Idealen widersprechen. Für diesen immer wieder aufflammenden Grundsatzstreit der Nachkriegsdemokratie war Berlin ein zentraler Schauplatz, und so war Metzels Denkmal durchaus treffend plaziert, eine 'site-specific-sculpture' in einem selten anzutreffenden historisch-kritischen Sinn." Grasskamp fügte hinzu: "Eine der letzten Amtshandlungen des scheidenden Oberbürgermeisters Diepgen ... war es, Metzels Skulptur wieder entfernen zu lassen"³

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Nach ausführlichen Diskussionen, in die anfangs Künstler und Künstlerinnen ohne nationale Begrenzungen einbezogen wurden, hat sich das für die Wahl des Preisträgers verantwortliche Kuratorium der Stiftung dazu entschieden, eine Persönlichkeit aus unserem eigenen Kulturbereich zu ehren. Im Laufe dieser Debatten bildeten sich auch die entscheidenden Kriterien heraus. Nicht schon vielfach ausgezeichnet sollte der Künstler oder die Künstlerin (und nicht jedermann schon vertraut das Werk) sein, weil der Preis auch Förderung bedeuten und weitere Bekanntheit des Werks bewirken möchte. In einem kritischen und aufklärerischen Sinne sollte dieses Werk sich mit Kernproblemen unserer Zeit beschäftigen, dabei aber zugleich eine voranschreitende, erneuernde Arbeit an der Form erweisen, ohne die ja das aufregendste und wichtigste Thema nicht bildlich zur Sprache kommt.

Zu einer Zeit, in der Künstler vielerorts zu einer Distanz gegenüber den Zeitereignissen neigen, will der Kurt Eisner-Preis die kritische Auseinandersetzung auf der Höhe der Zeit besonders fördern und ehren. Olaf Metzel erinnert, wo vergessen wird, er provoziert, wo Gleichmut eingekehrt ist, und er verleiht dabei der Gegenwart die Bilder: neue Denk-Mäler. Ihm gebührt der Kurt Eisner-Preis 1990.


Auszüge aus dem Artikel von Uwe M. Schneede in der Publikation der Kurt Eisner Kulturstiftung zur Preisverleihung an Olaf Metzel am 7. November 1990 in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München.





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